Sich überwiegend selbst finanzierende Studierende aus Drittstaaten können Familienbeihilfe beziehen

15. Oktober 2019
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Durch die ÖH erkämpft: Anspruch auf die Familienbeihilfe haben auch Studierende aus Drittstaaten, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, wenn sie sich zumindest überwiegend selbst erhalten.

Die aus Bosnien und Herzegowina stammende Studierende P lebt und studiert seit 2013 in Österreich. Mit einem Aufenthaltstitel für Studierende hält sie sich durchgehend rechtmäßig im Inland auf. Ihre Eltern leben im Ausland und unterstützen sie mit € 200 monatlich. Um sich das Studium in Österreich finanzieren zu können, arbeitet P seit Mitte 2014 geringfügig neben dem Studium und kommt damit insgesamt überwiegend selbst für ihren Unterhalt auf.

2017 lässt sich P im Sozialreferat der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH) beraten. Sie ist inzwischen 24 Jahre alt und befindet sich im 9. Semester ihres Bachelorstudiums. Es wird ihr empfohlen einen Antrag auf die rückwirkende Auszahlung der Familienbeihilfe zu stellen. Denn die Familienbeihilfe kann bis zu fünf Jahre rückwirkend für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Grundsätzlich kann die Familienbeihilfe für die Mindeststudiendauer zuzüglich zweier Toleranzsemester, maximal jedoch bis zum 24. Geburtstag bezogen werden. Bei Absolvierung des Präsenz- oder Zivildienstes ist die Altersgrenze sogar der 25. Geburtstag.

P folgt dem Rat und stellt Ende 2017 für sich selbst den Antrag. Bereits nach wenigen Wochen, Anfang Februar 2018, lehnt das zuständige Wohnsitzfinanzamt Ps Antrag ohne Begründung ab. Mit Unterstützung der ÖH erhebt P eine Beschwerde gegen den Ablehnungsbescheid. Sie lebt seit Jahren in Österreich und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt hier. Weiters führt sie aus, dass ihre Eltern sie nur zu einem kleinen Teil finanziell unterstützen, weshalb sie für sich selbst die Familienbeihilfe für ihre Studienzeit beantragt.

Im April 2018 erlässt das Finanzamt eine Beschwerdevorentscheidung und lehnt erneut ab. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen sei nicht in Österreich und es sei von einer engeren persönlichen Beziehung Ps zum Heimatland auszugehen. Schließlich habe P gegenüber dem Finanzamt angegeben, sie habe keine persönlichen Beziehungen zu ihrer Familie abgebrochen. Weiteres führt das Finanzamt aus, P sei nur zu Studienzwecken in Österreich.

P erhebt abermals ein Rechtsmittel mit Hilfe der ÖH. Im Vorlageantrag wird vorgebracht, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) das Vorliegen des Mittelpunktes der Lebensinteressen nicht ausgeschlossen ist, wenn der Aufenthaltstitel jeweils nur auf ein Jahr erteilt wird, wie das bei Studierenden aus Drittstaaten der Fall ist. P lebt, studiert, arbeitet in Österreich und plant auch ihre weitere berufliche Karriere in Österreich.

Im Mai 2019 ergeht nach einer mündlichen Verhandlung das Urteil des Bundesfinanzgerichtes. Es wird ausgesprochen, dass P einen Eigenanspruch auf Familienbeihilfe hat. Sie finanziert sich ihr Leben überwiegend selbst und ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen ist eindeutig in Österreich. Das ändere sich auch nicht dadurch, dass sie als Studierende aus einem Nicht-EU-Land zeitbegrenzte Aufenthaltsbewilligungen benötigt.

Einen Eigenanspruch auf die Familienbeihilfe haben also auch Studierende aus Drittstaaten, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, wenn sie sich zumindest überwiegend selbst erhalten. Wenn die Eltern überwiegend die Unterhaltskosten für ihre studierenden Kinder finanzieren oder die Studierenden noch zu Hause wohnen, hat grundsätzlich ein Elternteil Anspruch auf die Familienbeihilfe, wenn diese_r selbst den gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat. Studierende, deren Eltern ihnen keinen oder nicht überwiegend Unterhalt leisten, können aber für sich selbst Familienbeihilfe beziehen, wenn diese für ihren Unterhalt überwiegend oder vollständig selbst aufkommen. In diesen Fällen ist der gewöhnliche Aufenthalt des oder der Studierenden im Inland und nicht der ihrer Eltern relevant.

Durch die ÖH erkämpft: Anspruch auf die Familienbeihilfe haben auch Studierende aus Drittstaaten, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, wenn sie sich zumindest überwiegend selbst erhalten.

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