Für die Bildung von morgen kämpfen! – Positionen und Visionen zum Lehramt

13. November 2023

Für die Bildung von morgen kämpfen!

Positions- und Visionspapier der ÖH zu Lehramtsstudium und -reform:


1.   Einleitung

Die Gesellschaft steht aktuell vor den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten, deren Bewältigung fundamental mit der Ausgestaltung und Qualität unseres Bildungssystems zusammenhängt. Doch die österreichische Bildungslandschaft gleicht schon lange eher einer trockenen Wüste. Veränderungen beschränken sich oftmals auf kleine Schönheitskorrekturen, die die strukturellen Probleme und Versäumnisse nicht lösen können. Vielmehr braucht es im Bildungswesen von der Politik visionäre Ansätze und Reformen, um zukünftigen Generationen die beste Schulbildung und Lehramtsausbildung zu garantieren. Die Zukunft unserer Bildung hängt in hohem Maße von der Qualität und Professionalität unserer Lehrenden ab, und es ist unsere Verantwortung sicherzustellen, dass sie bestmöglich ausgebildet und unterstützt werden.

Der derzeit herrschende Lehrpersonenmangel ist auf das jahrzehntelange Versäumnis der Politik zurückzuführen, rechtzeitige Maßnahmen zu treffen sowie Lehramtsstudium und Lehrberuf generell aufzuwerten. Es ist unumgänglich, dem Lehrpersonenmangel nun rasch entgegenzuwirken, um derzeitigen Schüler_innen und Lehrer_innen eine ausreichend hochwertige Lern- und Lehrumgebung zu gewähren und die schlimmsten Konsequenzen der fehlerhaften Politik noch abzuwenden. Dennoch fordern wir bei kommenden Reformen einen visionären Weitblick, der sich nicht nur auf die Schließung derzeit herrschender Lücken im System beschränkt. Wir sehen Bildung als Fundament einer aufgeklärten Gesellschaft und emanzipatorischen Zukunft, die allen Menschen frei zustehen muss. Kinder und Jugendliche verdienen die beste Bildung, Lehramtsstudierende die beste Ausbildung, Lehrpersonen die besten Arbeitsbedingungen und jede dieser Personengruppen eine Politik, die ihre Anliegen ernst nimmt und ein gerechtes Bildungssystem der Zukunft entwirft.

Als ÖH ist es uns ein besonderes Anliegen, die österreichische Bildungslandschaft mitzugestalten und auf Schwächen im System hinzuweisen. Als Vertretung aller Lehramtsstudierender in Österreich möchten wir in diesem Positions- und Visionspapier Probleme im derzeitigen Lehramtsstudium aufzeigen und Lösungsansätze umreißen, die zu verbesserten Studienbedingungen und einer gleichberechtigteren Bildungslandschaft beitragen können.


2.   Zeitplan und Ziel der Lehramtsreform

Mit der sogenannten Pädagog_innenbildung NEU (PBN) wurde die Lehramtsausbildung erst vor einigen Jahren grundlegend reformiert und an die Bologna-Studienstruktur angepasst. Das Bachelorstudium für die Primar- und Sekundarstufe umfasst seitdem 240 ECTS (vier Jahre), gefolgt von einem einjährigen Master in der Primarstufe und Sekundarstufe Berufsbildung sowie einem zweijährigen Masterstudium in der Sekundarstufe Allgemeinbildung. Nun soll das Lehramtsstudium erneut reformiert werden, wobei aufgrund des aktuell herrschenden Lehrpersonenmangels vor allem eine Verkürzung des Studiums mit der Einführung eines dreijährigen Bachelors und anschließendem zweijährigen Master sowohl in der Primar- als auch der Sekundarstufe geplant sein soll.

Als ÖH kritisieren wir zunächst die aktuell herrschende Unsicherheit und den Verzug im Zusammenhang mit der Lehramtsreform. Das Versprechen von Bildungsminister Martin Polaschek, seinen bruchstückhaften Ankündigungen und Ideen noch vor dem Sommer 2023 eine gesetzliche Grundlage zu geben, wurde gebrochen und auf den Herbst 2023 verschoben. Immer noch warten wir auf konkrete Informationen rund um die geplanten Reformen. Um Studierenden, Studieninteressierten, Hochschulen und Interessensvertretungen Planungssicherheit zu geben und die Umsetzung der Reform in absehbarer Zeit zu garantieren, braucht es endlich Klarheit und einen genauen Zeitplan. Es muss mittlerweile davon ausgegangen werden, dass die neuen Studienpläne in allen Lehramtsstudien frühestens im Wintersemester 2025/26, wahrscheinlich gar erst im Wintersemester 2026/27 starten werden; dies bedeutet bereits eine Verzögerung um ein bis zwei Jahre zum ursprünglichen Plan. 

Für viele Studierende und Studieninteressierte ist der derzeitige Zustand des Wartens immens abschreckend. Wir müssen davon ausgehen, dass momentan einige zumindest darüber nachdenken, den Beginn ihres Lehramtsstudium hinauszuzögern; mit der Hoffnung auf eine kürzere Studiendauer, wenn sie noch ein bis zwei Jahre warten. Anstatt widersprüchliche und ungenaue Ankündigungen vorzunehmen und Unsicherheit zu schüren, muss die Bundesregierung endlich einen konkreten Plan für die Lehramtsreform vorlegen!

Wir fordern daher mit größter Dringlichkeit eine Vorlage des Gesetzesentwurfs zur Lehramtsreform noch im Jahr 2023!

Trotz des dringenden Handlungsbedarfs möchte die ÖH dazu aufrufen, dem Prozess in den Curricularkommissionen und Steuergruppen der Entwicklungsverbünde genügend Zeit einzuräumen. In diesen Gremien sind Studierende vertreten, deren Miteinbezug bei der Erarbeitung neuer Curricula unerlässlich ist.

Das Ziel der Reform darf es aus Sicht der ÖH nicht sein, vorschnelle Änderungen vorzunehmen und sich rein auf die Verkürzung der Studiendauer zu konzentrieren. Wir erwarten einen Fokus auf umfassende Änderungen und Verbesserungen, die die Qualität der Lehramtsstudien generell erhöhen und keine „one-size-fits-all” Ansätze über alle Lehramtsstudiengänge überstülpen. Die nun anstehende Reform muss als Chance gesehen werden, aus den (Miss-)Erfolgen der PBN zu lernen und ein langfristig attraktives sowie qualitativ hochwertiges Lehramtsstudium der Zukunft zu erarbeiten.


3.  Studiendauer

Die Meinungen zum Thema Studiendauer im Lehramtsstudium können unterschiedlicher nicht sein. Welcher Aspekt aber in diesem Diskurs vernachlässigt wird, ist die Tatsache, dass Studierenden immer noch aufgrund von Aufnahmeverfahren der Zugang zum Lehramtsstudium verwehrt wird. Als ÖH sehen wir dies kritisch und setzen uns stark gegen jegliche Art von Zugangsbeschränkungen ein.

Beim Bachelorstudium LA Primarstufe wäre eine Verkürzung auf eine Studiendauer von 6 Semestern mit 180 ECTS denkbar, da diese eine sinnvolle Vereinheitlichung mit anderen Studiengängen erzielen würde. Außerdem macht eine kürzere Studiendauer das Studium attraktiver und könnte so zu mehr Studieneinsteiger_innen führen. Bei der Verkürzung im Bachelor Sekundarstufe wiederum müssen wir die Gesamtsituation der Studierenden vorsichtiger betrachten. Studierende des Lehramts Sekundarstufe studieren de facto drei Studiengänge zur selben Zeit und müssen dafür auch genügend Zeit haben. Erfahrungsberichte zeigen jedoch, dass auch in der Sekundarstufe eine Verkürzung der Studiendauer durchaus möglich ist. Weiters könnte eine Abschaffung der Kombinationspflicht eine Möglichkeit sein, das Studium auf 6 Semester zu verringern. Studienanfänger_innen sollen also die Option erhalten, für 8 Semester lang zwei Unterrichtsfächer oder für 6 Semester lang nur ein Unterrichtsfach zu studieren. So bleibt Studierenden die Wahl und sie bekommen genügend Zeit für den Abschluss ihres Studiums.

Als ÖH fordern wir im Lehramt eine Studiendauer von 3 Jahren im Bachelor sowie 2 Jahren im Master sowohl in der Primar- als auch in der Sekundarstufe. Des Weiteren fordern wir die Regierung dazu auf, eine Abschaffung der Kombinationspflicht in der Sekundarstufe zu prüfen.

Verkürzungen von Studien können häufig die Folge haben, dass zwar die ECTS gestrichen werden, der Arbeitsaufwand für uns Studierende aber der gleiche bleibt. Dies lehnen wir klar ab. Als ÖH fordern wir, dass es klare Regelungen und eine adäquate Curricula-Überarbeitung hierfür geben muss. Wir Studierende wissen am besten, welche Inhalte relevant für das weitere Berufsleben sind, und müssen bei der Curricula Entwicklung miteinbezogen werden. Das Studium darf durch die Verkürzung nicht an Qualität verlieren und vor allem die Beibehaltung oder Ausweitung der Praxis sehen wir als unumgänglich. Das Masterstudium sollte die Möglichkeit zur Spezialisierung bieten und keine reine Wiederholung der Inhalte im Bachelorstudium sein. Außerdem braucht es klare Übergangsregelungen für Studierende, welche sich momentan im vierjährigen Bachelorstudium befinden. Diese sollten beinhalten, dass Studierende im vierjährigen Bachelor sowohl auf den dreijährigen wechseln können oder nach Wunsch den vierjährigen fertig studieren und abschließen können.

Der Master sollte unserer Meinung nach in allen Lehramtstudien eine Dauer von 4 Semestern betragen. Hier muss auf eine sinnvolle berufsbegleitende Option geachtet werden, nicht „berufsermöglichend“, wie es in der Vergangenheit gehandhabt wurde. Studienabsolvent_innen des Bachelorstudiums werden immer früher in den Schulalltag gedrängt und erhalten im Gegenzug nicht einmal eine sinnvolle Berufsbegleitung in einem verpflichtenden Masterstudium. Im besten Fall starten Bachelorabsolvent_innen erst in ihrem Master mit dem Schuldienst und steigen mit einem begleitenden Unterrichtspraktikum und zusätzlichen praxisnahen Lehrveranstaltungen ein. So soll Studierenden ein fließender Übergang in den Schuldienst ermöglicht werden.


4.     Masterpflicht

Die derzeit in § 48 (1) Vertragsbedienstetengesetz (VBG) festgehaltene Masterpflicht innerhalb von acht Jahren ab erstmaliger Anstellung beziehungsweise Beendigung der Ausbildungsphase bedeutet für viele Junglehrer_innen einen enormen Leistungsdruck. Dies liegt insbesondere daran, dass die Masterstudiengänge im Lehramt viel zu wenig berufsbegleitend gestaltet sind. Als ÖH fordern wir daher die Einführung von tatsächlich berufsbegleitenden Masterstudien, deren Lehrveranstaltungszeiten auch wirklich mit dem Schuldienst vereinbar sind. Gerade für Studierende mit Betreuungspflichten stellt eine strenge Masterpflicht oft eine große Hürde dar. In Zeiten des Lehrpersonenmangels ergibt sich außerdem die Frage, was tatsächlich passiert, wenn Personen den Master nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit abschließen. Oft wird dennoch von der Bildungsdirektion keine Kündigung ausgesprochen, aber die betroffene Lehrperson lebt ständig mit der Angst, jederzeit gekündigt werden zu können.

Um eine Masterpflicht auch tatsächlich rechtfertigen zu können, braucht es neben der flexibleren Gestaltung zusätzlich einige inhaltliche Änderungen in den Master-Curricula. Diese bestehen zurzeit häufig aus viel Wiederholung des Bachelor-Stoffes. Als ÖH sehen wir eine Masterpflicht nur sinnvoll, wenn sich Studierende im Masterstudium auch tatsächlich auf präferierte Themengebiete spezialisieren können und die Masterarbeit praxisnäher gestaltet werden kann.

In der jetzigen Form fordern wir als ÖH daher eine Abschaffung der Masterpflicht!

Als ÖH erkennen wir aber auch den großen Beitrag, den die Masterpflicht zur Aufwertung des Lehrberufes beiträgt. Gerade in diesem Bereich gilt es, die Lehramtsreform als Chance für große Umstrukturierungen zu sehen. Die Master-Studienpläne sollten so gestaltet werden, dass sie einen ideal betreuten Einstieg in den Schuldienst darstellen. Mit einem gut betreuten Berufseinstieg, echter Berufsbegleitung, praxisbegleitenden Lehrveranstaltungen, Spezialisierungen und einer lebensnahen Masterarbeit können die Masterstudien erheblich aufgewertet und sinnvoller gestaltet werden. In dieser Form wäre auch die Acht-Jahres-Frist für uns denkbar, die allerdings jedenfalls um großzügige Ausnahmeregelungen (z.B. bei Schwangerschaft, Krankheitsfällen in der Familie, Betreuungspflichten) erweitert werden muss. Sollte der Master zu spät, aber während eines aufrechten Dienstverhältnisses nachgeholt werden, muss der lebenslange Kündigungsgrund fallen.

Für die Sekundarstufe Allgemeinbildung fordert die ÖH schon länger die Prüfung und Ausarbeitung eines Studienmodells, das mit dem Bachelorabschluss das Unterrichten in der Sekundarstufe I ermöglicht und keinen weiteren Masterabschluss mehr benötigt. So könnten auch Studieninteressierte für ein Lehramtsstudium begeistert werden, die nur in der Sekundarstufe I unterrichten möchten.


5.    Curricula 

Wir brauchen endlich einen visionären Blick auf unsere Lehrpläne im Studium, sowie in der Schule. Änderungen im Lehramt müssen auch Änderungen in unseren Curricula heißen, denn es kann nicht sein, dass seit Jahren kaum auf wesentliche Dinge wie zum Beispiel Klassenführung, Elternarbeit, Unterrichts- sowie Jahresplanungen oder diverse weitere administrative Tätigkeiten im Lehrberuf eingegangen wird. Außerdem muss die Thematisierung der psychischen Belastungen im Schulalltag mehr Raum finden. Lehrpersonen zählen zu einer der meist betroffenen Berufsgruppen für Burnout und im Studium werden Bewältigungsstrategien sowie präventive Maßnahmen kaum bis gar nicht behandelt. Antidiskriminierung muss Praxis werden, auch in unseren Schulen. Zukünftige Lehrpersonen müssen wissen, wie sie Ungerechtigkeiten und Diskriminierung im Schulalltag erkennen und sensibel dagegen handeln können. Im Sekundarstufenstudium müssen die fachdidaktischen Inhalte viel mehr Raum erhalten, außerdem muss die Möglichkeit von Freifach ECTS geschaffen werden, so wie es in anderen Studien schon möglich ist. 

Neben den Änderungen in den Curricula braucht es eine Vereinheitlichung der ECTS-Anrechenbarkeit. Es kann nicht sein, dass sich Studierende bei einem Studienwechsel in einen anderen Verbund sorgen müssen, ob ihre bereits erbrachten Leistungen anerkannt werden. Generell macht die Verbundsstruktur in unseren Augen keinen Sinn und sollte es in Zukunft nicht mehr geben. Es gibt keinen Grund, verschiedene Verbünde österreichweit zu haben, obwohl wir ein einheitliches Schulsystem mit gleichem Lehrplan haben. ECTS-Gerechtigkeit muss vor allem auch in der Sekundarstufe Lehramt groß geschrieben werden, wo Lehramtsstudierende zurzeit häufig weniger ECTS für dieselbe Lehrveranstaltung bekommen als Studierende der jeweiligen Fachrichtung. Lehramtsstudierende verdienen gleiche Anerkennung für gleiche Leistung! 


6.    Praktika

Praktika sind für Lehramtsstudierende ein essenzieller Bestandteil ihrer Ausbildung und der erste Einblick in das kommende Berufsleben. Studierende verbringen im Zuge dessen sehr viel Zeit mit Unterrichtsvorbereitung, -planung und -nachbereitung und erledigen ähnliche Aufgaben wie Lehrpersonen. Und das völlig unbezahlt! Als ÖH fordern wir die gerechte Entlohnung für Praktika, damit niemand mehr unbezahlt arbeiten muss.

Ohne Praktika keine Berufserfahrung, ohne Praktikumsplätze kein Studienabschluss! Daher muss unbedingt garantiert werden, dass vor allem in der Sekundarstufe auch genügend Praktikumsplätze zur Verfügung stehen. Es kann nicht sein, dass Studierende kilometerweit pendeln müssen, um ihr Praktikum absolvieren zu können. Weiters braucht es einheitliche Regelungen bezüglich der Anrechnungen von Praktika, die auch zwischen den Verbünden keine Unterschiede machen.


7.     Berufseinstieg

Gerade in Zeiten des Lehrpersonenmangels ist das österreichische Bildungssystem auf viele Lehramtsstudierende angewiesen, die schon während des Studiums in den Schuldienst starten. Als ÖH können wir hier aber vielerlei Probleme beobachten, die bei weiterer Verschärfung noch einen größeren Lehrkräftemangel in der Zukunft bedeuten könnten. Viele noch im Bachelorstudium befindliche Junglehrer_innen sind mit der zusätzlichen Belastung überfordert, leiden unter Leistungsdruck und arbeiten sich immer häufiger in ein Burn-Out. Auf diese angespannte Situation, die oft mit vorzeitigen Studienabbrüchen und Berufswechseln einhergeht, ist in der kommenden Lehramtsreform genauestens Bedacht zu nehmen. Insbesondere ist es aus Sicht der ÖH unvertretbar, dass Lehramtsstudierende, die im Schuldienst das Bildungssystem aufrechterhalten, aufgrund längerer Studiendauer Studienbeiträge zahlen müssen und finanzielle Beihilfen verlieren können.

Dies bedeutet konkret zumindest folgende Maßnahmen, die umgehend umgesetzt werden sollten:

  • Höchstgrenze für die maximale Unterrichtsverpflichtung während eines Bachelorstudiums, damit Studierende nicht zu immer größeren Stundenausmaßen im Schuldienst gedrängt werden können. Diese soll allerdings auch Ausnahmeregelungen beinhalten für jene Studierende, die tatsächlich mehr Geld neben dem Studium brauchen.
  • Selbes Gehalt wie Quereinsteiger_innen (95%)
  • Verminderung der Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltung auf 50% für Studierende im Schuldienst
  • Streichung der Studienbeiträge für Studierende im Schuldienst
  • Zusätzliches Toleranzsemester pro Semester im Schuldienst

Wir möchten die Bundesregierung trotz des herrschenden Lehrpersonenmangels dringend davor warnen, Studierende immer früher und so schnell wie möglich als Lehrpersonen in die Klassenzimmer zu stellen! Eine zukunftsorientierte und nachhaltige Bildungspolitik muss in unseren Augen darauf abzielen, dass Lehramtsstudierende sich während des Bachelors auf ihr Studium konzentrieren können. Den Lehrberuf in seiner Professionalität und Verantwortung ernst zu nehmen, heißt auch, den Berufseinstieg erst nach abgeschlossener Lehramtsausbildung als Ziel zu formulieren.

Für einen idealen Berufseinstieg fordern wir als ÖH die Wiedereinführung des mit der PBN durch die Induktionsphase ersetzten Unterrichtspraktikums. Das Betreuungsverhältnis in dieser zentralen Phase muss radikal verkleinert werden, um Studierenden tatsächlich eine individuelle Betreuung garantieren zu können. Es ist unabdingbar, dass Lehramtsstudierende während des Unterrichtspraktikums auch tatsächlich ihre Fächer unterrichten und von fachspezifischen Lehrpersonen betreut werden. Die begleitenden Lehrveranstaltungen müssen praxisnah sein und die Studierenden bestens auf Herausforderungen wie Jahres- und Unterrichtsplanung, Administration oder Elternarbeit vorbereiten (siehe Kapitel 5).

Auch in Bezug auf die Sommerschule fordern wir als ÖH weitsichtige politische Maßnahmen, die deren Abhaltung nicht von unzähligen Lehramtsstudierenden abhängig machen oder zukünftig gar eine Verpflichtung von Lehramtsstudierenden erfordern. Gerade da viele Studierende im Sommer anderweitig Vollzeit arbeiten, um sich ihr Studium zu finanzieren, muss die Sommerschule weiterhin eine freiwillige Option bleiben. Als ÖH fordern wir weiterhin dieselbe Bezahlung für Lehramtsstudierende wie für Lehrpersonen, nur fachspezifische Einsätze von Studierenden und eine gute Betreuung während der Sommerschule. Außerdem braucht es klare und durchsetzbare Regelungen bezüglich des Materialkostenersatzes, da Studierende viel zu oft auf ihren Kosten für die Unterrichtsvorbereitung sitzen bleiben. Das Wegfallen eines Praxissemesters für Studierende, die die Sommerschule absolvieren, halten wir für den falschen Schritt, da die Sommerschule durch unterschiedliche Klassenkonstellationen, fächer- und schulstufenübergreifenden Unterricht eine gänzlich andere Erfahrung ist als die Praxis im Studium. Durch eine flexiblere Gestaltung des Studienplans sollen sich Studierende die Sommerschule als Freifach mit 5 ECTS anrechnen lassen können, anstatt die Praxis nicht machen zu müssen.


8.     Quereinstieg 

Durch den derzeitigen Lehrpersonenmangel sind unsere Schulen zur Zeit auf Quereinsteiger_innen angewiesen. Als ÖH Bundesvertretung sehen wir diese Maßnahme des Bildungsministeriums äußerst kritisch, verstehen aber, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht ohne Unterstützung in den Schulklassen funktioniert. Das Ziel einer zukunftsorientierten Bildungspolitik sollte aber sein, dass das Studium so attraktiv gestaltet wird, dass es keine Quereinsteiger_innen braucht.

Der Einstieg von Quereinsteiger_innen darf in Zukunft nicht zu offen gestaltet werden, denn so wird der Beruf als Lehrkraft, sowie das gesamte Studium weiter abgewertet. Es braucht einheitliche Regelungen, wie Quereinsteiger_innen starten dürfen. Unserer Meinung nach sollten diese beinhalten, dass Quereinsteiger_innen im ersten Dienstjahr genau beobachtet werden und parallel dazu in einem Hochschullehrgang Raum zur Reflexion über die Unterrichtseinheiten erhalten. Außerdem müssen Grundlagen der Pädagogik und Didaktik vor einem Unterrichtsbeginn absolviert werden. 

In Zeiten der Quereinsteiger_innen muss außerdem klar festgehalten werden, dass diese nicht bevorzugt in den Schulstandorten eingesetzt werden dürfen. Lehramtsstudierende und -absolvent_innen müssen immer den Vortritt haben und auch bei der Entlohnung dürfen keine Unterschiede gemacht werden. Daher fordern wir für Lehramtsstudierende im Bachelor dieselbe Vergütung wie für Quereinsteiger_innen (95%).


9.     Arbeitsbedingungen

In kaum einem Studium ist der Berufsweg so vorhersehbar, wie dies mit dem Entschluss für ein Lehramtsstudium der Fall ist. Bessere Studienbedingungen für Lehramtsstudierende führen zu einem besseren Schulalltag, genauso wie umgekehrt schlechte Arbeitsbedingungen in der Schule die Studierenden abschrecken und demotivieren. Daher ist uns als ÖH klar, dass sich die Arbeitsbedingungen für Lehrpersonen flächendeckend und langfristig verbessern müssen, um tatsächlich die Bildung von morgen sichern zu können. Lehrpersonen als Anker unseres Bildungssystems verdienen Wertschätzung und Ansehen, das sich auch in den Arbeitsbedingungen widerspiegelt. Unsere Forderungen reihen sich ein in unendlich lange und alte Listen an Maßnahmen und Vorschlägen, die oft bereits seit Jahren von Interessenvertretungen formuliert und leider noch öfter ignoriert werden.

Als ÖH fordern wir:

  • Bessere Bezahlung als angemessene monetäre Wertschätzung für diese zentrale Berufsgruppe
  • Mehr administratives, juristisches und psychologisches Unterstützungspersonal an Schulen, um Lehrpersonen Arbeitslast und bürokratische Tätigkeiten abzunehmen
  • Konzeption alternativer Modelle von Schule, die mit flexibleren Arbeitszeiten und Arbeitszeitverkürzung einhergehen
  • Unbefristete statt Sonderverträge
  • Kein fachfremdes Unterrichten
  • Das 20/20 Modell (20 Kinder, 20 Stunden) als langfristiges Ziel in allen Schulen
  • Schulautonomie verstärken

10.  Conclusio

In diesem Positionspapier haben wir als ÖH viele Problemfelder in der Lehramtsausbildung aufgezeigt, die von langer Studiendauer über unzulängliche Berufsvorbereitung bis hin zum verfrühten Berufseinstieg reichen. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, endlich einen Gesetzesentwurf für die geplante Lehramtsreform vorzulegen, um Lehramtsstudierende nicht länger in Unsicherheit zu lassen. Diese Reform muss neben einer Verkürzung der Studiendauer auch viele weitere großflächige Änderungen im derzeitigen Bildungssystem mit sich bringen. Lehramtsstudierende müssen praxisnahe Inhalte erlernen und auch im späteren Berufsleben mit idealen Arbeitsbedingungen an den Schulen konfrontiert werden. Außerdem bedeutet visionäre Bildungspolitik, Studierende im Bachelor nicht mit einem frühen Berufseinstieg zu überfordern und so den Lehrpersonenmangel von morgen zu generieren. Regelungen zu Masterpflicht und Quereinstieg müssen klar definiert werden und dürfen keine Nachteile für Lehramtsstudierende mit sich bringen.

Lehramtsstudierende sind der Schlüssel des Bildungssystems der Zukunft. Wir fordern, dass unsere Anliegen ernst genommen, wir ausreichend gehört und unterstützt werden. Die Lehramtsreform muss als Chance gesehen werden, die Bildung von morgen abzusichern!

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