Höchstgericht bestätigt ÖH: Keine maximale Anspruchsdauer bei der Studienbeihilfe 

9. Februar 2022
20220209 geschafft 8d5

Keine zeitliche Höchstgrenze der Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe bei Verlängerung aus wichtigen Gründen: Höchstgericht bestätigt die Rechtsansicht der ÖH

Der Student I beginnt sein Diplomstudium im Wintersemester 2008. Die vorgesehene Studiendauer des 1. Abschnittes beträgt 2 Semester, die Dauer des 2. Abschnittes 6 Semester. Für dieses Studium bezieht I Studienbeihilfe; dabei steht ihm pro Studienabschnitt grundsätzlich ein Toleranzsemester zu.

Aufgrund des Vorliegens mehrerer wichtiger Gründe, verzögert sich der Studienfortschritt von I. Während des 1. Studienabschnitts wird I zum 1. Mal Vater. Mit Ende des 5. Semesters, beginnend im Sommersemester 2011 ist Student I nun im 2. Studienabschnitt angekommen. Im 2. Studienabschnitt wird er ein weiteres Mal Vater und betätigt sich 4 Semester als Studierendenvertreter. In einem Semester erkrankt I. All diese Geschehnisse zögern seinen Studienabschluss hinaus.

I ist bekannt, dass bei Vorliegen wichtiger Gründe die allgemein vorgesehene Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe verlängert werden kann. So stellen Kinderbetreuungspflichten, Erkrankungen, aber auch erhebliche Behinderungen oder andere unabwendbare Ereignisse Verlängerungsgründe dar.

Deshalb tritt er mit der Studienbeihilfenbehörde in Kontakt. Diese agiert entgegenkommend und gewährt mit Bescheid eine Verlängerung der Anspruchsdauer im 1. Abschnitt von 2 Semestern aufgrund seiner Erziehungsverpflichtung für sein 1. Kind. Er bezieht somit 5 Semester Studienbeihilfe für den 1. Studienabschnitt. Auch im 2. Abschnitt wird der Anspruch von der Behörde um 6 Semester verlängert: 2 Semester betreffend die Kinderbetreuungspflichten für sein 2. Kind, 1 Semester wegen seiner Erkrankung und 3 Semester aufgrund seiner Tätigkeit aus Studierendenvertreter.

Herr I ist der Ansicht, dass ihm aufgrund seiner 4 Semester andauernden Tätigkeit als Studierendenvertreter eine Verlängerung um 4 – und nicht für 3 Semester – zusteht. Denn auch eine Tätigkeit als Studierendenvertreter kann zu einer Verlängerung der Anspruchsdauer auf Studienbeihilfe führen. Das ist dem Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz (HSG) zu entnehmen und durch Verordnung des Wissenschaftsministeriums konkretisiert. Daher stellt I im Herbst 2017 einen Antrag auf weitere Gewährung von Studienbeihilfe für das Wintersemester 2017, sein 19. Semester. Nach Ablehnung der Studienbeihilfenbehörde wendet sich I an die Sozialberatung der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH). Mit Unterstützung der ÖH erhebt Herr I Beschwerde. Jedoch auch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) lehnt den weiteren Anspruch auf Studienbeihilfe für das Wintersemester 2017 mit Erkenntnis vom 27.08.2019 ab.

Das BVwG führt in der ablehnenden Entscheidung aus, dass sich aus der „Systematik der studienförderungsrechtlichen Bestimmungen“ eine zeitliche Beschränkung der Verlängerung der Anspruchsdauer aus wichtigen Gründen und zwar mit dem Höchstausmaß der „doppelten vorgesehenen Studienzeit eines Studiums“ oder Studienabschnitts ergebe.

Herr I möchte das nicht akzeptieren, schließlich gibt es keine Rechtsgrundlage für die vorgebrachte zeitliche Begrenzung der Anspruchsdauerverlängerung. Er ersucht die ÖH um weitere Hilfe. Die ÖH entscheidet die hier vorliegende wichtige Rechtsfrage klären zu lassen und übernimmt die Gerichts- und Vertretungskosten für das höchstgerichtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH). 8 Monate nach Einbringen der Revision fällt der VwGH seine Entscheidung (VwGH vom 15.06.2020, Ro 2019/10/0037-6).

Das Höchstgericht hebt das Urteil des BVwG auf und stellt klar: Die Verlängerung der Anspruchsdauer für die Gewährung der Studienbeihilfe ist nicht mit der doppelten vorgesehenen Studiendauer begrenzt. Eine zeitliche Begrenzung ist den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen.

Durch die ÖH erkämpft: Das Höchstgericht stellt klar, dass die Verlängerung der Anspruchsdauer für die Gewährung von Studienbeihilfe nicht von vorhinein begrenzt ist, sondern im Einzelfall beurteilt werden muss.

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